Moin Hans,
danke für die schönen Bilder. Das sieht professionell aus und wird in meiner Birne abgespeichert - vielleicht braucht man`s mal.
Endlich sind wir am Zylinderkopf angekommen. Für mich das wichtigste Teil des Motors, weil viel Arbeit und Gedanken investiert werden (können). Bei diesem Motor war es besonders extrem, worauf ich im Laufe meiner Ausführungen noch näher eingehen werde, was aber nicht an besonderer technischer Innovation liegt.
Es handelt sich um den ganz normalen, bekannten zweiventiligen Zylinderkopf mit nur einer Zündkerze. Die Kühlrippen ließ ich unangetastet, so daß man von außen nix erkennen kann, was auf eine Veränderung hindeutet. Das einzige Indiz ist die seitlich eingeschlagene Seriennummer, wie ich es bei allen Motoren mache, weil ich sonst den Überblick verliere.
In Kürze ein paar geometrische Eckdaten: Ansaugdurchmesser knapp 35mm, angepaßtes Einlaßventil 49mm aus einem alten Citroen, Auslaßventil Standard.
In Abhängigkeit von der gewählten Nockenwelle und der gewünschten, relativ niedrigen Drehzahl und mit den Erfahrungen aus dem ersten XR-Motor wurden die Rückstellkräfte der Ventile mittels Einzelfedern realisiert. Das hat gewisse Vorteile, die ich nutzen möchte. Als krönenden Abschluß verpaßte ich der Kombination noch etwas leichtere obere Ventilfederteller.
Warum dieser Aufwand? Ziel ist die Verringerung des Strömungswiderstandes und die Reduzierung der bewegten Massen im Ventiltrieb. Das letztere hat zur Folge, daß ich geringere Federkräfte aufbringen muß, um die Ventile sicher zu führen und das wiederum schont den gesamten Ventiltrieb. Im Ergebnis komme ich bei gemessenen 15% Mehrhub mit leicht geringeren Federkräften als im Original aus, was für die Dauerhaltbarkeit nicht die schlechteste Basis darstellt.
Das Ganze ist natürlich mit ein wenig Fummelei verbunden und stellt immer eine Individuallösung dar, denn je nach Ist-Zustand des Zylinderkopfes (hier: seine Geometrie) müssen spezielle untere Federteller angefertigt werden, um die korrekte Spannung einzustellen. Die unterschiedlichen Massen von Einlaß- und Auslaßventil werden dabei berücksichtigt. Das ist sogar im Original schon so, daß die Auslaßventilfeder eine geringere Vorspannung als ihr gegenüber arbeitender Partner hat.
Selbstredend wurden die Ventilführungen vermessen, alle Gewinde geprüft und der Gesamtzustand der Materie genau unter die Lupe genommen, bevor die eigentlichen Arbeiten begannen. Ich habe mich so viele Stunden mit diesem Zylinderkopf beschäftigt, daß sich die vierstellige Seriennummer zu einer Projektnummer entwickelte und dermaßen in meinem Gedächtnis eingebrannt ist, daß ich auch noch in 20 Jahren sofort weiß, wozu diese Nummernkombination gehört.
Für die Bearbeitung der Kanäle bildet das eingangs erwähnte Konzept den Rahmen. Das ist der Grund für den unbearbeiteten Ansaugdurchmesser, denn ich möchte Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen. Am Gummiflansch atmet deshalb ein 34er oder 35er VM-Vergaser, der a. vergleichsweise günstig ist, b. massenhaft zur Verfügung steht und c. leicht abzustimmen ist und d. p&p in das Fahrzeug paßt. Bei südlicheren amtlichen Prüfstellen gibt es mit dieser Lösung auch keine Probleme.
Nun, der Fräser wurde gezückt und wieder einmal viel Aluminium zerspant. Zufälligerweise kann ich die Ergebnisse direkt nach der Bearbeitung in Form von Durchflußänderungen messen. Das bedeutet jedesmal Kopf reinigen, mit Ventilen und Testfedern bestücken und in den Meßaufbau integrieren. Man kann sich vorstellen, daß das Zeit kostet.
Gleichzeitig habe ich im Rahmen des F1-Projektes (s. SR-Forum) die Flowbench technisch auf einen neueren Stand gebracht und mit Hilfe von Christian die Performance verbessert, so daß wir mittlerweile in unseren Ergebnissen relativ dicht beieinander liegen. Das ist auch ein Grund, warum ich soviel Zeit mit diesem Bauteil der Gaswechselsteuerung verbracht habe. Nach 44 Messungen war der Einlaßkanal, auf den ich meinen Fokus gelegt habe, im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten neu in Form.
Parallel lief das F1-Projekt mit den Fehlschliffnocken und daher bot es sich an, den Zylinderkopf zur finalen Gestaltung zu Christian zu schicken. Was soll ich sagen? Er hat es wieder einmal fertiggebracht, das Ergebnis weiter zu verbessern und sich auch der Abgasführung gewidmet. Schlußendlich habe ich insgesamt 56 Messungen gemacht plus unzählige vom Meister selbst. In Zahlen:
- ein Standard-Zylinderkopf bringt es bei 11mm Ventilhub mit einem 47er Ventil auf gemittelt 175-180cfm@25" (Kubikfuß/Minute bei 25 Zoll Wassersäule Unterdruck)). Das ist eine international gebräuchliche Vergleichsmeßgröße.
- dieser Kopf bringt es trotz des kleinen Saugdurchmessers auf immerhin 209cfm.
Was bedeutet das?
Auf den ersten Blick eine Steigerung von 19%. Aber so einfach ist es nicht. Jetzt sollte man sich die Ventilerhebungskurve VEK der Drehmomentnockenwelle hernehmen und darunter im gleichen Maßstab den Kolbenweg darstellen. In Abhängigkeit von der Kurbelwelle bewegen sich Nockenwelle und Kolben im gleichen Rhytmus zueinander. In dem Bereich, in dem die Ventilerhebungskurve hohe Ventilhübe ausweist, hat der Kolben seine maximalen Geschwindigkeiten beim Ansaugen (Einlaßventil betrachtet). Das bedeutet viel Saug und viel Füllung des Brennraumes. Der Einfluß des Strömungswiderstandes bei hohen Ventilhüben ist gemessen an der Gesamtkurve überproportional groß, so daß man getrost zu den 19% noch einiges dazu addieren kann. Der Füllungsgrad der Ladung steigt und damit die mögliche abzugebende Leistung. So die Theorie! Wo viel reingeht, muß auch viel rauskommen. Das weiß jede Hausfrau (und -mann).
Das soll erst einmal als theoretischer Hintergrund reichen. Wer mehr dazu wissen möchte, dem empfehle ich das kontinuierliche Verschlingen von Fachliteratur und die Diskussion mit ähnlich verstrahlten Zeitgeistern. Gelegenheiten bieten sich u.a. zuhauf, wenn sich die Lebenspartner über Kinder oder Kochrezepte unterhalten.
Es ist Zeit für eine schöpferische Pause, die Redaktion schließt wahrscheinlich für zwei Tage. Es gibt noch andere Dinge im Leben als den Unterhaltungswert eines Forums zu fördern.
Gruß
Theo