Nach einer guten ersten Nacht in der Stadt wollte ich mir die beiden Attraktionen von Kopenhagen anschauen: Den Tivoli und Christiania. Beides kannte ich nur vom Hörensagen, denn ich war zum erstem Mal hier.
Wenn ich in einer fremden Stadt bin, finde ich öffentliche Verkehrsmittel immer sehr hilfreich; man sieht mehr, als wenn man selber fährt und kann Dinge nachschlagen, bleibt auf jeden Fall trocken und bekommt mit, wie die Leute miteinander umgehen; und außerdem darf man ja in Dänemark auch wieder Bier mitnehmen (nein, nicht im Bus trinken...).
- Camping mitten in der Stadt.
Erstmal also mit dem Bus in die City, wo ich gestern bei der Sucherei nach einer Unterkunft schon diverse Runden gedreht hatte. In der Innenstadt gibt es reichlich "Hostels", die jedoch derartig schweine(!)teuer sind, daß Backpacker oder XT-Fahrer sich das nicht leisten können/wollen (kostet so ungefähr das Achtfache im Vergleich zum Camping).
In der Nähe des Hauptbahnhofes stieg ich aus und ging erstmal rüber zum Tivoli. Das ist ein großer Vergnügungspark mitten in der Stadt. Je länger ich mir das Treiben da anschaute, umso sicherer war ich, daß ich da nicht alleine reingehen möchte. Sowas mache ich lieber mit jemandem, den ich gern habe, das macht viel mehr Spaß.
Also machte ich einen Haken hinter den Tivoli (nächstes Mal) und ging runter zum Sydhavnen, die Sonne genießen.
Sehr augenfällig ist die auf der südöstlich dem Zentrum vorgelagerten Stadtteil Christanshavn stehende Vor Frelsers Kirke (Erlöserkirche) mit ihrem gewundenen "Korkenzieher"-Turm.
Da wollte ich hin.
- Da *muß* man rauf.
Und damit war ich auch schon fast in Christiania, das genauso viele Menschen anzieht wie der Tivoli.
Man kann natürlich sagen, daß das allein an dem wohlfeilen Angebot von Cannabis-Produkten liegen könnte, aber ich als ehemaliger Straßenmusiker und "Vernunft-Hippie" hatte hauptsächlich Bock darauf, ein paar von den Leuten zu treffen, die in dem seit 1971 bestehenden experimentellen Gesellschaftsraum leben.
Von der Spitze der Vor Frelsers Kirke (nicht am Wochenende draufsteigen wie ich, das ist am teuersten) gesehen sieht der Freistaat so aus:
- Als Verteidigungsanlage im 17. Jahrhundert entstanden, nun Raum für ein Gesellschaftsexperiment: Christiania.
Auf dem Weg durch die Kirche und hinauf in den Turm gibt es ein Kaleidoskop von witzigen Treppen und Quergängen, neben denen Puttenengel aus Gips und anderes in tollen Installationen drapiert sind; lohnt sich sehr. Und dann der Blick von oben, WOW.
Dabei kann man ganz oben auf dem Turm nicht lange bleiben - die Stufen auf der Außentreppe werden immer schmaler und die letzte nimmt gerade noch zwei Füße auf: Andere wollen ja auch mal.
Über Christiana könnte ich jetzt ja auch stundenlang erzählen, das lasse ich mal. Nur soviel: Ich habe selten so viele interessante Dinge und klare Menschen auf einen Haufen gesehen. Ich fotografiere an so einem Ort keine Leute, die ich nicht kenne, und so schnell geht das in einer fremden Stadt ja auch nicht. Ein paar Impressionen:
- Irgendwo zwischen Hogwards und Hundertwasser.
- Schönheit und Chaos.
- Dem ist nichts hinzuzufügen.
- Klar.
Abends gab es dann auf dem Campingplatz noch ein freundliches Stelldichein von Rauchern und langes Geschnacke.
Nächsten Morgen hing der Himmel runter und ich wußte schon, was kommt, wenn ich gleich die Regenpelle überziehe.
Es kam aber auch so.
Der Reihe nach: Jochen war gewarschaut und erwartete mich irgendwann zum vorgerückten Nachmittag. Ich wollte über die Storebæltsbroen nach Fyn und dann von Bøyden mit der Fähre nach Fynshaw fahren.
Das machte ich dann auch.
- Kopenhagen - Nordhackstedt (343 km)
Während der Fahrt sinnierte ich über das nun langsam wachsende Ohr für die dänische Sprache - gerade rechtzeitig zur "Ausreise" - und die vielen Menschen mit den unterschiedlichsten Sprachen, die ich in den letzten Wochen getroffen hatte. So richtig spannend finde ich Dänemark zum Fahren aber nur, wenn es geschotterte Umleitungen gibt oder ich mich verfranze. Hielt sich in Grenzen.
Auf Fyn kam allerdings der dann sehr kräftige Regen zusammen mit wirren Umleitungen, die mich nicht zum Fährhafen ließen.
Genervt.
Dann war der Sprit knapp. In einer der eigentlich ganz ansprechend geschotterten Baustellen, eingereiht zwischen übervorsichtigen Dänen mit mehr oder weniger großen Autos (überholen? Vergiß es.) fing sie dann an zu stottern, ich fuhr aus dem Weg und füllte meine Betriebsmittelnotration (1,5 l) ein. Also nicht direkt zur Fähre in Bøyden, sondern erst nach Faaborg, tanken. GRMBL.
Meine schwedische Marabou Orangenkrokant im Tankrucksack war auch fast alle. Zum Mäusemelken.
Rein nach Faaborg, hinter dem zweiten Kreisverkehr die Tanke, super. Vollgemacht, Kanister auch, alles gut.
Rein (oder besser raus: Aus dem Schietwetter), bezahlen, raus, weiter.
Zehn km nach Bøyden, die Fähre kommt in 20 min. Da fällt mir auf, daß ich den Kanister vergessen habe. Aus Gewohnheit erst die Reserve vollgemacht, dann den Tank. Mußte aber mit einer Hand den Tankrucksack festhalten und hatte deshalb vor dem Bezahlen zwar den Kanister zugemacht, aber nicht wieder verzurrt, sondern bei der Zapfsäule stehenlassen.
Und da blieb er dann auch.
Auf der Fähre mußte ich das erste Mal auf der ganzen Tour das Moppett mit "schwerem Gerät" befestigen: Wir Kraftradfahrer bekamen jeder zwei Riesenmagneten mit etwa drei Meter breiten LKW-Spannbändern (fühlte sich zumindest so an), die wir über die Sitzbank zu spannen hatten. Ist ja ziemlich sehr ganz schön sicher. Schlägt sogar die Warnweste um Längen.
Mit einem schwedischen BMW-Fahrer machte ich mich über diese - gemessen am Wetter - vollkommen übertriebene - Vorschrift lustig, denn es fiel halt Regen, die See war aber ruhig. Verglichen mit den Spannbändern, die das Einklappen des entlasteten Seitenständers auf den anderen Fähren verhindert haben, war das halt echt spinnert.
Mit Claus verbrachte ich dann auch die Überfahrt bei einem Tee. Er lebt in Malmö und erzählte von seinem Bruder, den er regelmäßig besucht, seinen Touren und daß er
so eine Tour auf keinen Fall mit einer XT machen würde. Da hatte ich aber gut grinsen, denn ich war ja fast fertig damit.
In Fynshaw verabschiedeten wir uns und ich hielt auf Sønderborg zu. Das Wetter war ätzend und ich hatte ab-so-lut kein Interesse an schönen Strecken oder interessanten Orten mehr, sondern wollte bloß noch ankommen. Gegen fünf war ich dann da.
Und dann gab es alles auf einmal: Freunde, heiße Dusche, lecker Essen, Platz zum Trocknen der Sachen, Garage, netten Schnack, Bett.
Danke.
Weiter:
Nordhackstedt - Hamburg